„Das Café am Rande der Welt“ – ein Buch, das man gelesen haben muss. Oder? Ich war durchaus dieser Ansicht, obwohl (oder gerade weil) ich ganz unterschiedliche Stimmen darüber gehört hatte: Von „Ansammlung leerer Floskeln“ bis zum „Stein der Weisen“ waren alle Meinungen vertreten. Als es mit der Post bei mir ankam, musste ich schmunzeln. Mein currently reading war damals „Blackout“ von Marc Elsberg, ein über 800 Seiten starker Wälzer über einen europaweiten Stromausfall-Supergau. Okaaaaay, eine Katastrophe samt ihrer menschlichen Abgründe findet also in 800 Seiten kaum Platz und der Sinn des Lebens wird uns in einer ein Zentimeter dünnen Broschüre erzählt? Wie putzig! 🙂
Originaltitel: „The Why Are You Here Café“
Erscheinungsjahr: 2003
Verlag: dtv (37. Auflage; 2007)
Seitenzahl: 127
Reihe: Café am Rande der Welt – Bd. 1
Inhalt
John, seines Zeichens stets gestresster Manager, gerät auf dem Weg in seinen wohlverdienten Urlaub in einen Verkehrsstau und entscheidet sich für einen Umweg. Er verfährt sich völlig und gelangt schließlich hungrig, frustriert und gefühlt am Ende der Welt zu einem kleinen Café – dem „Café der Fragen“. Beim Studieren der Speisekarte fallen ihm auf der Rückseite drei solcher Fragen auf:
– Warum bist du hier?
– Hast du Angst vor dem Tod?
– Führst du ein erfülltes Leben?
Spätestens beim Zusammentreffen mit Kellnerin Casey und Koch Mike, die beide Einblick in seine Gedanken haben, bemerkt John, dass er sich nicht in einem normalen Café befindet, sondern vielmehr auf einer Reise zu sich selbst…
Meine Gedanken
Der Einstieg in die Geschichte hat mich, obwohl ich für philosophische Fragestellungen eher weniger empfänglich bin, sofort gepackt: John, unser Ich-Erzähler, berichtet von seinem Leben, mit dem sich der ein oder andere Leser mit Sicherheit sofort identifizieren kann – fest eingespannt in der Arbeitswelt, gefangen im System, gesellschaftliche Erwartungen erfüllend, stellenweise etwas orientierungslos und unzufrieden. Gibt es da nicht mehr? Worauf arbeite ich hin und warum?
Diese Fragen und einige mehr diskutiert John im „Café der Fragen“ mit drei ihm fremden Personen – Casey, Mike und Anne. Das ganze Buch ist auf Dialogen aufgebaut, wodurch es sich sehr flüssig lesen lässt. Hinzu kommen anschauliche Erfahrungsberichte, Beispiele und Geschichten (vielmehr „Gleichnisse“) zum Thema. Mein Favorit: die Geschichte von der grünen Meeresschildkröte auf Hawaii, die eine wichtige Botschaft für uns bereit hält, welche an dieser Stelle natürlich nicht verraten wird. 🙂
Zeichnungen, die mir anfangs eher kindlich erschienen sind, wirken im Verlauf der Geschichte immer stimmiger und zeigen meist kleine Ausschnitte aus dem Café, passend zu den manchmal beschränkten Sichtweisen unseres Gehirns.
Wer eine tolle Hintergrund-Story erwartet hat, wird enttäuscht. Handlung findet kaum statt und wenn, dann mit metaphorischer Bedeutung. Aber um die Geschichte geht es hier auch überhaupt nicht, es geht rein um die Botschaften. Und diese sind es allesamt wert, überdacht zu werden und ja, wir alle kennen sie, Strelecky erfindet hier das Rad nicht neu. Dennoch tut es ganz gut, hin und wieder daran erinnert zu werden, uns auf unser eigenes Leben und unsere Wünsche zu besinnen. Der Autor gibt dabei ganz bewusst keinen konkreten Lösungsweg vor, wie man seinen persönlichen „Zweck der Existenz“ erreichen kann. Jeder ist dazu angehalten, diesen selbst herauszufinden und darauf hinzuarbeiten.
Ein kleiner Wermutstropfen: Stellenweise wird mir persönlich die Situation etwas zu vereinfacht dargestellt, nach dem Motto „Tue, was immer du willst und was deiner Bestimmung entspricht.“ Dies allein scheint des Rätsels Lösung zu sein. Hier kehrt der Autor Einschränkungen, die zweifellos bestehen, unter den Tisch: Kompromisse, die ich für geliebte Menschen oder auch für mich selbst manchmal zwingend eingehe, Verantwortung, die man vielleicht nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere übernimmt, usw. Dies erfordert manchmal auch Dinge zu tun, die nicht direkt meinem „Sinn des Lebens“ zuträglich sind.
Fazit
Strelecky hat hier eine angenehm leichte Geschichte mit einer gut dosierten Portion philosophischer Gedanken geschaffen – weniger als Ratgeber zu sehen, sondern mehr als kleinen gedanklichen „Schubser“ in die richtige Richtung.
Eine Frage an das Buch: Existiert das „Café am Rande der Welt“ tatsächlich?
Nein, der Autor hat sich seine Inspiration von verschiedenen Orten und aus der Begegnung mit ganz unterschiedlichen Menschen geholt und seine Erfahrungen zu einem Gesamtwerk zusammengesetzt.
Weitere Bände der Reihe
(1) Das Café am Rande der Welt
(2) Wiedersehen im Café am Rande der Welt
(3) Auszeit im Café am Rande der Welt
(Kurzgeschichte) Wenn du Orangen willst, such nicht im Blaubeerfeld
(Kurzgeschichte) Was nützt der schönste Ausblick, wenn du nicht aus dem Fenster schaust